Anna Schmidt-Oehm

Ohne Zähneputzen geht – ist aber nicht so schön…

Mein Yogaweg begann vor mehr als 20 Jahren und damals war ich noch wirklich weit entfernt von der Idee, Yoga zu meinem Beruf ja sogar zu meinem Leben werden zu lassen. Yoga war damals vor allem eine körperliche Praxis, die mir meine Rückenschmerzen nahm und erst nach und nach mehr Raum in meinem Kopf und Herz bekommen sollte.

Was ich aber schon sehr früh erkannt habe war, dass ich selbst der Schlüssel bin. Ich bringe meinen Hintern auf die Matte bewegen. Ich bin es, die Dinge ändern kann. Ganz egal, ob damit eine Veränderung im Körper oder in meinem Verhalten gemeint ist. Der innere Schweinehund wurde also mein bester Freund. Keine leichte Aufgabe oder yes, change hurts… So habe ich schon lange vor meiner heutigen Praxis, alleine auf der Matte gesessen und erstmal „bloß“ Asanas geübt, geschwitzt, gelacht und geflucht. Die meisten Menschen finden den Weg zum Yoga über die körperliche Praxis und das ist großartig. Die Wirkung von Yoga im Körper zu spüren ist unbezahlbar. Yoga kann nur erfahren, nicht erzählt werden.

Im Lauf der Jahre hat sich meine Praxis natürlich stark verändert. Heute ist Ashtanga mein Weg. Ein strenges System, dass viel Disziplin abverlangt und sicher nicht für alle der richtige Weg ist. Ashtanga möchte, dass du es ein Leben lang, sechs Tage die Woche übst. Dass du mit Hingabe und Demut nur das praktizierst, was deine Lehrerin für dich angemessen hält. Egal, ob du die Übung beherrscht oder jahrelang dafür üben wirst, ob du sie magst oder eben nicht. Klingt nicht so prickelnd? Stimmt, aber ich liebe es und würde es für nichts eintauschen. Und ja, es nervt manchmal gewaltig.

Voll langweilig immer das Gleiche zu üben? Nö, voll suuuper. Die Asanas stehen nicht im Vordergund sondern das Eintauchen in den Atem, in die Bewegung, in den Geist. Ich habe sozusagen jeden Tag ein Date mit mir und es ist immer spannend. Dadurch, dass die Serien vorgegeben sind, kannst du deinen Kopf ganz frei machen und brauchst dir nichts überlegen.

Voll viel zu doll und gefährlich? Nö, überhaupt nicht. Es ist wie Zähne putzen – ohne geht, ist aber echt nicht so schön. Viele Menschen denken, Ashtanga sei Yoga-Hochleistungssport. Das kann ich verstehen, wenn man von außen drauf schaut. Wenn man sich aber vorstellt, dass Ashtangis jahrelang an den Asanas und ihren Übergängen feilen, ist es nur normal, dass man diese irgendwann nahe an der Perfektion ausübt. Geht es darum? Nein! Practice and all is coming. Diesen Satz kann ich aus eigener Erfahrung nur unterstreichen. Die Essenz der Methode ist die Verbindung zu dir zu finden und sich als Einheit aus Körper, Geist und Seele wahrzunehmen. (Beihnahe) Frei von Zweifel, Furcht und Sorge. Die Zeit auf der Matte ist nur ein Hilfsmittel. Irgendwann merkst du, dass du die Praxis in dein Leben ausstrahlt und viele Dinge verändern sich. Deine Einstellung zu den verschiedensten Themen oder auch Beziehungen.

Lust bekommen, es selbst auszuprobieren? Ab auf die Matte mir dir. Mein Tipp: starte mit den Sonnengrüßen (5 bis 8 Wiederholungen) und schau, ob du es zwei Wochen lang auf die Matte schaffst. Nimm’ dir nicht zu viel vor, sonst ist die Frustgrenze zu hoch und du hörst zu schnell wieder damit auf. Steigere dein Pensum von Woche zu Woche oder von Monat zu Monat. Trage dir deine Yogazeit in den Kalender ein. Es muss nicht jeden Tag um die gleiche Uhrzeit sein und schon gar nicht vor Sonnenaufgang. Es sei denn, du möchtest das undbedingt. Finde eine Regelmäßigkeit, die zu dir passt. Am Ende gilt immer:

Das Yoga soll zu dir passen, nicht du zum Yoga!