Indien und zurück… Om Shanti
Ich fliege nicht gern. Aus ökologischen Gründen und weil ich die Vorstellung, mit einigen Menschen tausend Kilometer über dem Boden eingesperrt zu sein, ziemlich gruselig finde. Manche Ziele sind aber mit dem Zug schwer erreichbar. Indien zum Beispiel. Wenn ich dort hin will, muss ich entscheiden, was wichtiger ist. Das war für mich ziemlich einfach, als die Idee Teile meiner Ausbildung in Indien – sozusagen an der Quelle – zu wiederholen, in mir heranreifte. Alles schien sich zu fügen. Nie habe ich gezweifelt. Es hat sich einfach richtig angefühlt.
Die Ankunft im Govardhan Eco Village war wie nach Hause kommen. Und ab da war meine Welt in Ordnung. Es trat dieser Zustand ein, in dem alles okay ist. Dieses Gefühl von Zufriedenheit, von Shanti.
Das Eco Village ist ein sehr besonderer Ort, eine kleine Utopie, ein Stückchen Paradies, Shanti auf Erden. Es ist leicht, in einer solchen Umgebung dieses Shanti-Gefühl zu finden. Schwieriger ist es, das Gefühl zu bewahren. Es mitzunehmen in den Alltag. Es in der Hektik zu finden, oder im Regen an der Bushaltestelle. Da ist es natürlich gut, wenn das Gefühl schon mal da war und die Erinnerung daran noch anhält. Um ehrlich zu sein, ist das für mich die eigentliche Yoga-Praxis – außerhalb der Yoga-Bubble, in der wir Licht und Liebe predigen, Licht und Liebe zu sein.
Das zu leben, was wir als Yogalehrer in einer Klasse erzählen oder als Übende auf der Matte mit einem überzeugten Nicken annehmen, spielt besonders im Jivamukti Yoga eine große Rolle. Zu sagen, was man meint und zu meinen, was man sagt, ist nicht immer einfach – aber Yoga ist nicht dazu da, es uns einfach zu machen. Es ist ein Weg, der uns zu unseren Grenzen bringt, diese austestet, verschiebt und uns dadurch mehr Handlungsspielraum, mehr Freiheit gibt. Frei zu entscheiden, eine echte Wahl zu treffen und für diese Wahl Verantwortung zu übernehmen, gibt uns unser Leben zurück – für das wir letztendlich immer selbst verantwortlich sind. Nicht unsere Eltern oder die Gesellschaft bedingen, wer wir sind. Wir selber entscheiden uns dafür, wer oder was wir sind. Denn wie Sharon Gannon – Padma-ji – sagt: wie ich andere behandle, bedingt, wie andere mich behandeln. Wie andere mich behandeln bedingt, wie ich mich sehe. Und wie ich mich sehe bedingt, wer ich bin. Indem wir unsere Beziehungen zu anderen von einem (inneren) Ort der Ruhe und des Friedens aus aufbauen und gestalten, können wir letztendlich uns selbst verändern und damit der Wandel sein, den wir uns für die Welt wünschen.
Wenn ich an meine beiden Wochen in Indien zurückdenke, erinnere ich mich vor allem an mein „Shanti“ und natürlich an die Dinge, die ich lernen, die Momente, die ich erleben und die Menschen, die ich kennen lernen durfte. An das Wissen, das großzügig von Herz zu Herz weitergegeben wurde. An das Maha Mantra, Hare Krishna, das allgegenwärtig war.
Alles Liebe – Hare Krishna –
Anna Mareike